Samstag, 12. Dezember 2009

Wirksamkeit Grippe-Medikament Tamiflu angezweifelt

Tamiflu gilt als Wunderwaffe gegen die Schweinegrippe. Forscher sehen keinen klaren Beweis dafür, dass das Medikament schwere Komplikationen verhindern kann. Der Hersteller Roche der mit Tamiflu Milliarden verdient zweifelt die Untersuchung an.
Tamiflu spielt eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Schweinegrippe. Anfangs haben ganze Schulklassen das Medikament verordnet bekommen, wenn nur wenige Schüler in England an der Schweinegrippe erkrankt waren.

In Deutschland werden Tamiflu und ähnliche Grippemittel für 30 Prozent der Bevölkerung bereitgehalten. Viele ließen sich das Medikament bei Ausbruch der Schweinegrippe selbst vom Arzt verordnen und legten es in den heimischen Kühlschrank. Beim Schweizer Pharmakonzern Roche, klingelten die Kassen:

Roche erwartet allein in diesem Jahr, mit Tamiflu einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro. Experten der internationalen Cochrane Collaboration erheben schwere Zweifel an der Wirksamkeit des Medikaments: Bislang gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Tamiflu Grippe-Komplikationen wie etwa eine Lungenentzündung verhindern könne.

20 wissenschaftliche Studien wurden über Tamiflu von Wissenschaftlern systematisch ausgewertet Sie beklagen den "Mangel an guten Daten" über das Medikament. Forscher haben acht wichtige nicht oder nur zum Teil veröffentlichte Studien nicht in ihre aktuelle Auswertung einfließen lassen.
Bei einer früheren Cochrane-Studie über Tamiflu wurden die acht Studien noch berücksichtigt worden. Damals haben wir uns auf die Ergebnisse einfach verlassen", so Tom Jefferson, einer der Autoren. "Diesmal haben wir jedoch versucht, die Ergebnisse dieser Studien zu rekonstruieren. Weil uns das aufgrund fehlender nachprüfbarer Daten nicht gelungen ist, konnten wir die Studien nicht mehr in unsere Bewertung mit einfließen lassen." In den übrigen Studien konnten die Wissenschaftler keine Beweise finden, dass Tamiflu etwa eine Lungenentzündung verhindern kann.
Auf der Website des BMJ hat der Pharmakonzern Roche erklärt, dass man weiterhin an die Zuverlässigkeit der Daten glaubt. Regierungen und Zulassungsbehörden hätten Zugang zu allen Studienergebnissen über Tamiflu gehabt.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe die zentrale Rolle des Medikaments im Kampf gegen die Grippe anerkannt. Eine detaillierte Antwort auf die BMJ-Studie hat Roche inzwischen veröffentlicht. Die Daten zum Medikament Tamiflu sollen auf einer passwortgeschützten Internetseite zugänglich gemacht werden.

Das Medikament wirke nur schwach, sagte Bernd Mühlbauer, Direktor des Instituts für Pharmakologie am Klinikum Bremen-Mitte, im Mai im SPIEGEL-Interview. "Die Krankheitsdauer wird im Durchschnitt nur um etwa einen Tag verkürzt." Mediziner hatten bereits im Oktober vor massiven Nebenwirkungen von Tamiflu gewarnt, nachdem Berichte aus Japan bekannt geworden waren.

Das "British Medical Journal" fordert neue Gesetze, so dass in Zukunft alle Rohdaten einer Medikamentenstudie veröffentlicht werden und somit die Studienergebnisse nachvollziehbar sind. Roche hat bislang nicht alle Daten über Tamiflu veröffentlicht. So sind Nutzen und Risiken des Medikaments weiter unbekannt.

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